Meist kommt es anders als man denkt…

15.01.2022
Nach einigen Tagen in meiner Garage werde ich nun in eine Werkstatt gebracht. Einen Tag vorher hat mir Claudius noch liebevoll eine Heizung installiert und über die Nacht laufen gelassen. Dies sei gut für meinen Rumpf hiess es. Draussen ist es Neblig und kalt. Claudius ist schon da und bereitet mich nun vor. Da er mich nicht selber ziehen kann, wartet er noch auf Markus. Markus ist ein junggebliebener, rüstiger, kräftiger Mann dem Claudius bei allem hilft – das erfahre ich nach und nach. Er ist der Chef von der Segelschule Hallwilersee und auch die gute Seele. Ja, hier sind alle so lieb. Sie kümmern sich so um mich.
Nun ist mein fahrendes Untergestell mit mir obendrauf am Auto von Markus angekuppelt. Grrr, bitterkalt hier draussen!
Und schon geht es los. Hier in der Deutschschweiz geht es zack, zack!

Fahrt durch Böju im Nebel.

Nach kurzer Fahrt von ca. 5 Minuten kann ich mein Platz in der grossen Halle beziehen. Einen schönen Platz, in der Mitte der Halle umgeben von vielen Segelschiffe und ein Motorboot «Aqualiner». Wie eine Königin steht sie da. Gross und mächtig. Schon klar wer hier die Chefin ist in dieser Halle!
Da angekommen werde ich sogleich an den Kranen gehängt.

Da ich noch einen alten blauen Schutzanstrich habe, welcher mir einmal lieblos aufgebrummt wurde und jetzt mehr Schmutz als Schutz ist, hat Claudius sofort begonnen, diesen abzukratzen. Darunter glänzt eine alte Kupferschicht. Ich muss ehrlich gestehen, diese Zuneigung und Aufmerksamkeit die ich hier bekomme mag ich. Nach einem knappen Tag Einsatz durch Claudius, sehe ich doch schon besser aus.

Die Hälfte ist geschafft…

16.01.2022
Nun geht es weiter. Unermüdlich wird an mir «herumgekratzt» und geschliffen. Auch Patrizia ist noch gekommen um zu helfen. Claudius und seine Kollegen machen zwischendurch eine Kaffeepause, dann geht es unermüdlich weiter. Ist schon schön so in der Luft zu hängen und Streicheleinheiten zu bekommen. Aber im Wasser gefällt es mir noch besser! Schönheit muss leiden, sagen all meine neu gewonnenen Kolleginnen hier in der Halle. Das ist dann wohl so…
Am Abend, Claudius ist überall blau vom Staub, den ich mehr oder eben weniger freiwillig von mir gelassen hab. Hände, Jacke, Mütze, Gesicht – alles blau. Patrizia mein, Claudius sieht «schlumpfig» aus und müsse sich auf der Toilette «entschlumpfen»…
Schon schön, dass hier irgendwie alle locker sind. Ich sehe, die machen das alles mit Passion und Freude.

Für heute ist Schluss. Ich werde an mein Ort geschoben, die Lichter gelöscht.


Am nächsten Tag, weiter gehts! Claudius kratzt stundenlang an mir rum. Und so werde ich nach und nach vom blauen Elend befreit.
So bekomme ich nahezu jeden Tag Besuch von Claudius, Patrizia und Chrigu der für Nina hier in der Werkstatt arbeitet. Nina ist eine 70 Jährige alte Dame, komplett aus Holz.
Gerade eben wurde entschieden, mich umzudrehen, damit Claudius meine Kupferschicht abschleifen kann. Erst muss ich aber noch «entmotorisiert» werden.

Nun werde ich gedreht. Mit dem Kran, heben sie mich hoch. Alle kommen zur Hilfe. Markus, Patrizia, Chrigu, Claudius. Ich werde seitlich auf alte Matratzen gelegt und so Step by Step gedreht.

Die Welt steht Kopf

Ist mir grad etwas Peinlich – aber als ich gedreht wurde, musste ich einfach Wasser lassen! Besser gesagt Wasser loswerden. Hinten aus dem Spiegel (da wo der Motor montiert war). Die Anwesenden beraten sich, ob irgendwo einen Wassereinschluss war, etc.
Claudius hat begonnen, mich abzuschleifen. Wie das kitzelt! Aiii!
Aber ich halte es aus. Stundenlang wird geschliffen.

Nach und nach stellt sich raus, dass ich auch Tage nach dem Umdrehen noch Wasser verliere. Claudius macht nun einige Probebohrungen um die Feuchtigkeit im Spiegel anzuschauen. Tatsächlich. Bei diversen Bohrungen verliere ich Wasser. Und ich stinke nach verfaultem Holz. Kurz darauf entscheidet Claudius mit Chrigu, den Spiegel bis zur Wasserlinie aufzuschneiden – in der Hoffnung, dass die Feuchtigkeit nur im oberen Teil der Platte ist. Diese Hoffnung hat sich aber schnell zerschlagen.

Nun wird es noch staubiger. Claudius schneidet den ganzen Spiegel raus. Das Holz ist allerdings teilweise so durchgemodert, dass es einfach in sich selber zusammenfällt oder mit einfachen Mittel rausgekratzt werden kann. Der Entscheid war richtig! Dies wäre eine tickende Zeitbombe gewesen. So darf ich doch nicht aufs Wasser.

Der Spiegel ist weg. Claudius’s Sorgen steigen. Nun liege ich – allerdings gut gebettet – hier auf einem Trailer, kopfüber, ohne Spiegel. Ob das gut kommt? Klar!
Die kommenden Tagen verbringt Claudius vor allem mit schleifen, sägen und reinigen meines Hinters. Claudius kommt voran, da er fast täglich bei mir ist und an mir werkelt.

Bald bin ich bereit für den Einbau des Spiegels…

Veröffentlicht inAllgemein